Irrtümlich vom Arbeitnehmer als gerechtfertigt angenommene beharrliche Leistungsverweigerung kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.10.2013 – 5 Sa 111/13

Wenn der Arbeitnehmer aufgrund eines Streits über die Berechnung künftiger Lohnansprüche zu Unrecht die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts annimmt, kann die beharrliche Verweigerung der Arbeitsleistung einen verhaltensbedingten Grund zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung darstellen. Der Arbeitnehmer trägt insoweit grundsätzlich das Irrtumsrisiko.

(Leitsatz des Gerichtes)

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.02.2013, Az. 4 Ca 15987 b/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer seitens der Arbeitgeberin ausgesprochenen fristlosen Kündigung.
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Der 49-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 15.08.2011 als Bodenleger beschäftigt. Gemäß § 3 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages vom 29.07.2011 (Bl. 4 f. d. A.) trafen die Parteien eine Akkord-Lohn-Vereinbarung, die sich nach der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag richtet (Bl. 6 d. A.). Danach werden bestimmte Bodenverlegearbeiten je Quadratmeter mit einem bestimmten Akkordsatz vergütet. Falls keine Parkett- und Bodenverlegearbeiten durchgeführt werden, beträgt der Stundenlohn für Stundenlohnarbeiten € 12,00 brutto. Der durchschnittliche Monatslohn des Klägers beträgt € 2.088,00 brutto.
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Seit dem 29.08.2012 war der Kläger zusammen mit dem Arbeitnehmer E. beim Bauvorhaben in H.-F. eingesetzt. Dort sollten sie in ca. 40 nahezu identischen Häusern Bodenverlegearbeiten verrichten. Über das Wochenende 01./02.09.2012 berechneten der Kläger und sein Kollege E. aufgrund der Akkordvorgabe den sich aus ihrer Sicht ergebenden Stundenlohn für die Arbeiten auf dieser Baustelle mit etwa € 7,86 EUR brutto. Mit diesem aus ihrer Sicht unbefriedigenden Ergebnis wandten sie sich am Morgen des 03.09.2012 gemeinsam an den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn W.. Der genaue Ablauf, die Dauer und der Inhalt des Gespräches sind zwischen den Parteien streitig. Nach Beendigung des Gespräches fuhren der Kläger und sein Kollege nicht zur Baustelle, sondern mit dem Dienstfahrzeug nach Hause. Am Abend des 03.09.2012 telefonierte der Zeuge E. noch einmal mit dem Geschäftsführer der Beklagten. Am 04.09.2012 erschienen der Kläger und der Zeuge E. jeweils in Freizeitkleidung im Betrieb und übergaben die ihnen überlassenen Gegenstände sowie den Dienstwagen dem Geschäftsführer der Beklagten. Im Gegenzuge überreichte der Geschäftsführer beiden das hier streitgegenständliche fristlose Kündigungsschreiben. Das ursprünglich gedruckte Datum „03. September 2012“ war handschriftlich auf „04. September 2012“ geändert worden. Das Kündigungsschreiben enthält – soweit hier von Belang – folgenden Wortlaut (Bl. 7 d. A.):
4

„Sehr geehrter Herr N.,
Sie haben heute die von der Geschäftsleitung angeordneten Arbeiten bei dem Bauvorhaben F., HTG verweigert.
Aus diesem Anlass kündigen wir Ihnen fristlos aus wichtigem Grund das bestehende, am 15.08.2010 geschlossene Arbeitsverhältnis, zum heutigen Tage. Wir beziehen uns auf das Arbeitsgesetz, § 626.
Wir fordern Sie auf, alle Arbeitsmaterialien, Arbeitskleidung, Maschinen bzw. Werkzeuge und alle Bauschließungen sofort abzugeben.
…“
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Der Kläger hat behauptet,
aufgrund der Beschaffenheit der Baustelle hätten zu den dort zu verrichtenden Aufgaben nicht nur solche gehört, die sich aus der Akkordliste (Anlage zum Arbeitsvertrag) ergäben. Vielmehr seien Arbeiten angefallen, für die in der Anlage keine Akkordvergütung vorgesehen sei, z. B. der Transport des Bodenbelags in die einzelnen Häuser, die Reinigung des Untergrundes, der Zuschnitt des Bodenbelags sowie das Abschneiden der Randdämmstreifen. Deshalb sei nur ein effektiver Stundenlohn von € 7,86 brutto zu erzielen gewesen. Er habe mithin mit einer Reduzierung seines Septemberlohns auf € 1.200,00 brutto rechnen müssen. Deshalb habe er am 03.09.2012 zusammen mit dem Zeugen E. den Geschäftsführer darauf hingewiesen, dass es nicht angehen könne, dass ca. die Hälfte ihrer Tätigkeit nicht vergütet würde. Sie hätten den Geschäftsführer gebeten, diese Tätigkeit ebenfalls zu vergüten oder ihnen einen adäquaten Stundenlohn zu zahlen oder sie auf einer anderen Baustelle einzusetzen. Der Geschäftsführer habe dieses Ansinnen abgelehnt und erklärt, dass er nunmehr wegen der fristlosen Kündigung Rücksprache mit seinem Anwalt halten werde, er, der Kläger, könne noch mit dem Firmenfahrzeug nach Hause fahren und solle am nächsten Morgen dieses sowie sämtliche Arbeitsmaterialien zurückgeben. Da er, der Kläger, lediglich nicht bereit gewesen sei, arbeitsvertraglich nicht geschuldete Tätigkeiten ohne Vergütung durchzuführen, stelle sein Verhalten keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Eine nachhaltige Arbeitsverweigerung liege nicht vor.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 4. September 2012 nicht beendet wurde.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen,
dass sowohl der Kläger als auch der Zeuge E. am 03.09.2012 die Arbeit auf der Baustelle H.-F. ausdrücklich abgelehnt hätten. Ihr Geschäftsführer habe die beiden sodann ausdrücklich und eindringlich aufgefordert, nunmehr umgehend zur Baustelle nach H.-F. zu fahren. Er habe beide zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssten, wenn sie die Arbeit auf dieser Baustelle weiterhin verweigerten. Insbesondere habe er dem Kläger nicht gestattet, mit dem Dienstfahrzeug nach Hause zu fahren, was dieser aber getan habe. Der Kläger habe mithin beharrlich seine geschuldete Arbeitsleistung auf der Baustelle H.-F. verweigert. Einer vorherigen Abmahnung habe es angesichts dessen auch nicht bedurft. Die beharrliche Arbeitsverweigerung rechtfertige auch eine fristlose Kündigung. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger für die Arbeit auf der Baustelle in H.-F. im Oktober nur einen Stundenlohn von € 7,86 zu erwarten gehabt hätte. Die einzelnen Lohnleistungen basierten auf Zielwerten, wobei es durchaus Lohnleistungen gebe, die dann als Nebenleistungen bezeichnet und nicht gesondert vergütet würden. Dem Kläger habe auch kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich eines etwaigen nicht gezahlten Lohnes zugestanden. Vielmehr hätte er solchen zunächst konkret geltend machen und ggf. den Rechtsweg beschreiten müssen.
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Das Arbeitsgericht hat durch Vernehmung der Zeugen L. und E. Beweis erhoben; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Vernehmungsprotokolle verwiesen (Bl. 31-38 d. A.). Des Weiteren hat es den Geschäftsführer der Beklagten angehört. In dem Kündigungsrechtsverfahren E. gegen Fa. W. GmbH (4 Ca 1596 b/12 = LAG Schleswig-Holstein 4 Sa 110/13) hat das Arbeitsgericht Beweis durch Vernehmung des Klägers erhoben (Bl. 68 – 69 d. A.).
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Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsfeststellungsklage mit Urteil vom 07.02.2013 stattgegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertige das Verhalten des Klägers (noch) keine außerordentliche Kündigung. Zwar habe der Kläger unzulässigerweise die ihm zugewiesene Arbeit abgelehnt und damit eine Arbeitspflichtverletzung begangen, aber dies stehe mit den spezifischen Vergütungspraktiken in Zusammenhang. Klärungsbedürftig sei gewesen, ob Akkordarbeiten welchen Inhalts mit welcher Vergütung vorgelegen hätten oder ob es sich um (Neben-)Tätigkeiten auf pauschaler Stundenlohnvergütung gehandelt habe. Die Beklagte habe dem Kläger nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, ihre ablehnende Haltung nochmals zu überdenken. Vielmehr sei das In-Aussicht-Stellen der außerordentlichen Kündigung am 03.09.2012 durch den Geschäftsführer der Beklagten bereits derart abschließend gewesen, dass nur noch Rücksprache zur Bestätigung des Standpunktes mit dem Rechtsanwalt genommen werden sollte. Dies ergebe sich auch daraus, dass auch der Kläger und dessen Kollege E. bereits am 03.09.2012 ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten aufsuchten und sich zudem arbeitssuchend meldeten und am 04.09.2012 lediglich die Abwicklung der bereits am Vortage fest in Aussicht gestellten Kündigung vorgenommen hätten. Unstreitig sei noch nicht einmal der Konflikt aufgenommen worden. Es fehle an der Möglichkeit, wechselseitig die Positionen noch einmal zu überdenken. Damit fehle eine Gelegenheit zur Bewährung und damit auch an der Beharrlichkeit der Arbeitsverweigerung.
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Gegen dieses ihr am 25.03.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.04.2013 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 25.06.2013 am 19.06.2013 begründet.
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Die Beklagte trägt vor,
das Arbeitsgericht habe die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur außerordentlichen Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung nicht beachtet und keine ordnungsgemäße Beweiswürdigung vorgenommen. Der Zeuge L. habe eindeutig ausgesagt, dass ihr Geschäftsführer dem Kläger und dem Zeugen E. gesagt habe, dass diese, wenn sie nicht umgehend zur Baustelle führen, mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssten. Dies habe der Kläger letztlich selbst bei seiner Vernehmung im Parallelverfahren auch eingeräumt. Dort habe er ausgesagt, dass ihr Geschäftsführer ausdrücklich erklärt habe, dass es eine fristlose Kündigung gebe, wenn sie nicht auf die Baustelle gingen. Auch habe der Zeuge L. bestätigt, dass beide Arbeitnehmer für das Geld auf dieser Baustelle partout nicht arbeiten wollten. Dies decke sich auch mit der Aussage des Zeugen E.. Auf Nachfrage habe er ausdrücklich erklärt, dass beide für € 7,86 auf der Baustelle H.-F. nicht mehr arbeiten würden. Aus den Aussagen der Zeugen ergebe sich eindeutig, dass der Kläger in keiner Weise bereit gewesen sei, seine Arbeit auf der Baustelle H.-F. fortzusetzen. Er habe sich ihrer eindeutigen Arbeitsaufforderung nachhaltig widersetzt. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Gleichwohl habe der Geschäftsführer den Kläger abgemahnt, indem er ihn eindeutig gewarnt habe, dass ihm fristlos gekündigt werde, wenn er nicht sofort zur Baustelle fahre. Weisungswidrig hätten der Kläger und der Zeuge E. gleichwohl die Arbeit nicht aufgenommen und seien unstreitig nicht zur Baustelle gefahren.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.02.2013, Az. 4 Ca 1597 b/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt
das angefochtene Urteil. Der Zeuge L. sei bei dem zwischen ihm, dem Zeugen E., und dem Geschäftsführer geführten morgendlichen Gespräch nicht zugegen gewesen. Er habe mithin auch keine Aussage zum Inhalt des streitigen Gesprächs treffen können. Er sei im Übrigen nur verpflichtet gewesen, die vertraglich geschuldete Akkordarbeit auf der Baustelle zu verrichten. Die erforderlichen Arbeitsmaterialien wie Spachtelmasse, zugeschnittener Linoleumboden, gereinigter Fußboden, Wasser direkt in den Häusern, seien nicht vorhanden gewesen. Da die Beklagte die erforderlichen Vorbereitungshandlungen zur Leistung der Akkordarbeiten nicht durchgeführt habe, könne ihm auch nicht der Vorwurf der Arbeitsverweigerung gemacht werden. Zumindest habe es sich nicht um eine beharrliche Arbeitsverweigerung gehandelt.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17.10.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. c; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.
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Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, da sie begründet ist.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten zum 04.09.2012. Bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt und auch dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am 04.09.2012 beharrlich seine Arbeit verweigert hat, sodass an sich ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorlag (1). Auch die Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Klägers aus (2.).
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1. Durch sein Verhalten am 03.09.2012 hat der Kläger einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB gesetzt.
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a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Stufen zu prüfen. Zuerst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden, sodann ist im Wege einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen, ob auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ein wichtiger Grund vorliegt. Bei einer Arbeitsverweigerung, d. h. die bewusste und gewollte Nichtleistung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, kann in aller Regel grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegen. Voraussetzung ist allerdings ein Fall der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung. Die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt eine Nachhaltigkeit im Willen voraus (BAG Urt. v. 05.04.2001 – 2 AZR 580/99 -, juris; BAG Urt. v. 19.04.2007 – 2 AZR 78/06 -, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 08.06.2010 – 5 Sa 24/10 -, Rn. 26, juris). Der Arbeitnehmer muss die von ihm geschuldete Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers schlicht nicht befolgt (LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 08.09.2009 – 1 Sa 230/09 -, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 22; LAG Niedersachen Urt. v. 06.04.2009 – 9 Sa 1303/08 -, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 6 a). Eine derart geforderte intensive bzw. nachhaltige Arbeitsverweigerung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich bewusst und willentlich der für ihn erkennbaren und eindeutigen Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers widersetzt. In Fällen, in denen die intensive Weigerung nicht festgestellt werden kann, muss eine erfolglose Abmahnung vorangegangen sein. Nur dann kann die Prognose erstellt werden, ob der Arbeitnehmer die Arbeit künftig weiter verweigern werde. Letztlich ist es im Rahmen des ultima-ratio-Prinzips auch möglich, dass je nach Sachlage nur eine ordentliche Kündigung in Betracht kommt (vgl. BAG Urt. v. vom 21.11.1996 – 2 AZR 357/95 -, AP Nr. 130 zu § 626 BGB; BAG v. 05.04.2001 – 2 AZR 580/99 -, a.a.O.; BAG v. 19.04.2007 – 2 AZR 78/06 -, a. a. O.). Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung ist der Arbeitgeber. Mithin muss nicht der Arbeitnehmer beweisen, dass er freigestellt war oder seine Arbeitskraft tatsächlich oder zumindest mündlich angeboten hat. Vielmehr muss der Arbeitgeber beweisen, dass der Arbeitnehmer sich intensiv geweigert hat, seine Arbeit aufzunehmen.
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b) Hieran gemessen ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers und seiner Zeugenaussage in dem Parallelprozess, dass er ebenso wie der Zeuge E. am 03.09.2012 bewusst und nachdrücklich nicht bereit war, die von ihm arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit auf der Baustelle H.-F. zu leisten.
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Dabei verkennt die Kammer nicht, dass bei einer berechtigten Leistungsverweigerung eine verhaltensbedingte Kündigung ausgeschlossen ist (ErfK/Müller-Glöge, 13. Aufl., Rn. 77 zu § 626). Nimmt der Arbeitnehmer jedoch zu Unrecht die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts an, kann die Verweigerung der Arbeitsleistung einen verhaltensbedingten Grund zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung darstellen Der Arbeitnehmer trägt insoweit grundsätzlich das Irrtumsrisiko (ErfK/Preis, 13. Aufl., Rn. 690 zu § 611 BGB).
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Unstreitig war der Kläger nicht bereit, die ihm zugewiesenen Bodenverlegearbeiten auf der Baustelle H.-F. zu verrichten. Dies hat er selbst vorgetragen. Vielmehr verlangte er von der Beklagten, ihn auf einer anderen Baustelle einzusetzen, die Tätigkeit insgesamt mit einem adäquaten Stundenlohn zu vergüten oder die von der Akkordvereinbarung nicht erfassten Vorbereitungshandlungen ebenfalls mit dem Stundenlohn zu vergüten. Diese Forderungen berechtigten den Kläger jedoch nicht, sich der Arbeitsanweisung der Beklagten, in den Häusern auf der Baustelle H.-F. Linoleum-Boden zu verlegen, zu widersetzen. Dem Kläger stand kein Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrecht zu.
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Der Kläger war bei der Beklagten ausweislich des Arbeitsvertrages unstreitig als Bodenleger beschäftigt. Arbeitsvertraglich schuldete er mithin „Bodenverlegearbeiten“. Zu diesen Bodenverlegearbeiten zählen unstreitig auch Zusammenhangsarbeiten, wie die Vorbereitung des Untergrundes, der Transport des Bodenbelages zur Baustelle und in die einzelnen Räume, der Zuschnitt des Bodenbelags etc. Dies bestreitet der Kläger auch nicht. Er meint lediglich, dass für diese Neben- oder Vorarbeiten keine Vergütung vereinbart sei. Aufgrund der Beschaffenheit der Baustelle hätte er für die Vorbereitungshandlungen ca. die Hälfte seiner Arbeitszeit benötigt, sodass er unter Zugrundelegung der Akkordvereinbarung lediglich einen Stundenlohn von € 7,86 brutto erhalten hätte. Ungeachtet dessen, dass dieser Vortrag völlig unsubstantiiert und durch keinerlei Tatsachenvortrag belegt und von der Beklagten auch bestritten worden ist, rechtfertigt dieser Umstand nicht, die Arbeitsleistung zu verweigern.
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aa) Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Zuweisung einer Arbeit auf einer anderen Baustelle. Nicht der Arbeitnehmer sucht sich die im Betrieb anfallende und ihm genehme Arbeit aus, sondern der Arbeitgeber weist die konkret zu leistende Arbeit dem Arbeitnehmer zu. Es obliegt dem Arbeitgeber kraft des ihm gemäß § 106 GewO zustehenden Direktionsrechts, die im Arbeitsvertrag lediglich allgemein umschriebene Arbeitsleistung zu konkretisieren. Mit der Zuweisung der Bodenverlegearbeiten auf der Baustelle in H.-F. hat die Beklagte das ihr zustehende Direktionsrecht auch nicht ermessensfehlerhaft ausgeübt. Vielmehr handelte es sich unstreitig um arbeitsvertraglich vereinbarte Bodenverlegearbeiten. Hieran ändert auch eine möglicherweise unzureichende Vergütungsabrede nichts. Unstreitig haben die Parteien gemäß § 3 des Arbeitsvertrages eine Akkordlohnvergütung vereinbart und insoweit auf die Anlage zum Arbeitsvertrag verwiesen. Danach haben die Parteien einen Geldakkord vereinbart, sodass sich die Arbeitsvergütung durch Multiplikation von Arbeitsmenge und Geldfaktor ergibt. Nach der Anlage zum Arbeitsvertrag haben die Parteien aber zugleich vereinbart, dass Zeitlohnarbeiten mit einem Stundenlohn von € 11,50 (aktuell: € 12,00) vergütet werden. Unstreitig handelte es sich bei den dem Kläger zugewiesenen Bodenverlegearbeiten um solche, die im Akkordlohn vergütet werden. Damit hat die Beklagte dem Kläger keine vertragswidrigen Tätigkeiten zugewiesen. Der Kläger war mithin verpflichtet, diese Arbeiten auszuführen. Insbesondere hatte er kein Recht auf Zuweisung von Arbeit auf einer anderen Baustelle.
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bb) Der Kläger hatte auch keinen Anspruch, die Arbeit zu verweigern, weil die Beklagte nicht bereit war, die konkreten Bodenverlegearbeiten auf der Baustelle in H.-F. insgesamt mit einem „adäquaten“ Stundenlohn zu vergüten. Ein solcher Anspruch auf Stundenlohnvergütung bestand aufgrund der vertraglichen Abmachung gerade nicht. Es galt die Akkordlohnvereinbarung für Bodenverlegearbeiten. Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf eine diesbezügliche Vertragsänderung. Vielmehr sind geschlossene Verträge einzuhalten. Selbst wenn die getroffene Akkordlohnvereinbarung insgesamt gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig wäre, was nicht einmal der Kläger behauptet und auch sonst nicht ersichtlich ist, würde dieser Umstand allein vorliegend nicht zum Recht auf Arbeitsverweigerung führen. Soweit nichts Gegenteiliges vereinbart ist – wie vorliegend –, ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich vorleistungspflichtig. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss des § 614 Satz 1 BGB. Danach ist die Vergütung erst nach der erbrachten Arbeitsleistung zu zahlen. Der Kläger war mithin verpflichtet, die ihm zugewiesene Arbeit zu verrichten und ggf. nach erteilter Abrechnung und Lohnzahlung weitergehende Vergütung für sogenannte Stundenlohnarbeiten oder gemäß § 612 Abs. 1 BGB für zusätzlich erbrachte Arbeiten geltend zu machen, für die weder eine Stundenlohnabrede noch eine Akkordlohnvereinbarung getroffen wurde. Jedenfalls war der Kläger nicht berechtigt, insgesamt die Tätigkeit auf der Baustelle H.-F. von vornherein und insgesamt zu verweigern.
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cc) Das gleiche gilt auch für die Vor- oder Nebenarbeiten, auf die sich der Kläger mit Schriftsatz vom 05.12.2012 (Seite 2 oben) als auch in der Berufungserwiderung vom 26.08.2013 (Seite 2 unten/Seite 3 oben) berufen hat. Als Bodenleger war der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet, auch diese Zusammenhangstätigkeiten zu verrichten. Zur ordnungsgemäßen Verlegung eines Bodenbelags gehören auch deren Transport und Zuschnitt sowie die Vorbereitung des Untergrundes. Gegenteiliges behauptet der Kläger auch nicht, zumal er diese Arbeiten auf anderen Baustellen unstreitig auch verrichtet hat. Er meint indessen, dass für diese Zusammenhangstätigkeiten keine Akkordvergütung vereinbart worden sei, sodass diese aufgrund der Beschaffenheit der Baustelle (langer Anfahrtsweg, lange Transportwege auf der Baustelle, Verlegung von Wasserschläuchen etc.) separat zu vergüten gewesen seien. Dieser Vergütungsstreit berechtigt indessen nicht zur Arbeitsverweigerung zumal die Vergütung noch gar nicht fällig war. Zudem hat die Kammer die Klägerseite bereits in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen, dass nach der Anlage zum Arbeitsvertrag für den Zuschnitt ein Akkordlohn von € 0,19 je Quadratmeter vereinbart wurde. Selbst wenn die Beklagte aus Rechtsgründen verpflichtet gewesen wäre, die darüber hinaus strittigen Zusammenhangs- oder Vorbereitungsarbeiten separat zu vergüten, war der Kläger am 03.10.2012 noch nicht berechtigt, die ihm zugewiesene Arbeit auf der Baustelle H.-F. zu verweigern. Wenn der Arbeitnehmer aufgrund eines Streits über die Berechnung künftiger, d. h. weder entstandener noch fälliger, Lohnansprüche zu Unrecht die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts annimmt, kann die beharrliche Verweigerung der Arbeitsleistung einen verhaltensbedingten Grund zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung darstellen. Der Arbeitnehmer trägt insoweit grundsätzlich das Irrtumsrisiko.
33

Dem Kläger stand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Er war vorleistungspflichtig. Lohnrückstände waren noch nicht vorhanden. Der Kläger war mithin arbeitsvertraglich verpflichtet, die Bodenverlegearbeiten auf der Baustelle H.-F. auszuführen. Ihm stand weder ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung gemäß §§ 611 Abs. 1, 614, 273 Abs. 1 BGB noch ein sonstiges Arbeitsverweigerungsrecht zu. Er hat mithin schwerwiegend gegen arbeitsvertragliche Pflichten, nämlich die Hauptleistungspflicht, d. h. die Arbeitspflicht schlechthin, verstoßen.
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dd) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger während des Gesprächs mit dem Geschäftsführer am 03.10.2012 beharrlich seine Arbeitspflicht verweigert.
35

(1) Eine beharrliche Arbeitsverweigerung, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann, setzt eine Nachhaltigkeit im Willen des Arbeitnehmers voraus. Eine derart geforderte intensive bzw. nachhaltige Arbeitsverweigerung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich bewusst und willentlich der für ihn erkennbaren und eindeutigen Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers widersetzt (BAG, Urt. v. 24.02.2011 – 2 AZR 636/09 -, Rn. 15, juris; BAG, Urt. v. 05.04.2001 – 2 AZR 580/99 -, Rn. 24, juris; LAG Hamm, Urt. v. 10.02.2012 – 13 Sa 1300/11 -, Rn. 50, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 08.06.2010 – 5 Sa 24/10 -, Rn. 26, juris).
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(2) Der Kläger ist am 03.10.2012 nicht nur schlicht nicht zur Arbeit gefahren, sondern hat sich der ausdrücklichen Arbeitsanweisung des Geschäftsführers der Beklagten, zur Baustelle H.-F. zu fahren, bewusst und nachhaltig widersetzt. Er hat selbst eingeräumt, dass er ohne vorherige Lohnzugeständnisse der Beklagten partout nicht bereit gewesen sei, zur Baustelle H.-F. zu fahren, um dort in den Häusern Linoleum-Boden zu verlegen. In seiner Zeugenaussage im Parallelprozess (ArbG Elmshorn: 4 Ca 1596 b/12) hat der Kläger eindeutig erklärt: „… für 7,86 können wir da nicht arbeiten.“ Zudem hat er in jener Zeugenaussage ebenfalls eingeräumt, dass der Geschäftsführer der Beklagten trotz der von ihm, dem Kläger, und dem Zeugen E. erhobenen Vergütungseinwände mit den Worten „… wenn ihr da nicht auf die Baustelle geht, dann gibt’s die fristlose Kündigung“ an seiner eindeutigen Arbeitsanweisung festgehalten hat. Trotz dieser eindeutigen und auch nachhaltigen Arbeitsaufforderung hat der Kläger an seiner Verweigerungshaltung bewusst und auch nachhaltig festgehalten. Er wollte für einen vermeintlichen Stundenlohn von € 7,86 auf der besagten Baustelle auch angesichts der Ankündigung einer fristlosen Kündigung unter keinen Umständen arbeiten.
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Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er gemeint habe, dass die Beklagte vor Arbeitsantritt verpflichtet gewesen sei, die zwischen den Parteien bestehenden Differenzen bezüglich der Vergütung der sogenannten Nebentätigkeiten, in seinem Sinne zu klären. Der Kläger verkennt dabei, dass er gemäß § 614 Satz 1 BGB vorleistungspflichtig ist. Zum Zeitpunkt der Arbeitsverweigerung stand noch nicht einmal fest, dass er nur einen Stundenlohn von € 7,86 brutto erzielen würde. Die Lohnansprüche für Oktober 2012 waren weder entstanden noch fällig. Er hätte nach entsprechender Fälligkeit und Abrechnung der Lohnansprüche für Oktober 2012 in Ruhe prüfen können, ob gemäß der arbeitsvertraglichen Regelung oder gemäß § 612 Abs. 1 BGB noch restliche Ansprüche offen sind, diese gegenüber der Beklagten geltend machen und ggf. Lohnklage erheben können. Indessen ist er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt gewesen, die Arbeitsleistung von vornherein zu verweigern. Das Risiko einer unberechtigten Arbeitsverweigerung trägt der Kläger.
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ee) Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am 03.10.2012 gegenüber der Beklagten beharrlich seine Arbeitspflichten verweigerte. Da die Voraussetzungen der beharrlichen Arbeitsverweigerung und damit ein wichtiger Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bereits am 03.10.2012 vorlagen, konnte die Beklagte mithin auch bereits am 03.10.2012 den Entschluss fassen, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Einer vorherigen formellen Abmahnung bedurfte es angesichts der eindringlichen Arbeitsaufforderung und Warnung der Beklagten nicht. Die beharrliche Arbeitsverweigerung war mithin an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Klägers darzustellen.
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2. Auch die gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung und damit die Prüfung, ob das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsinteresse des Klägers überwiegt (vgl. BAG 27.04.2006 – 2 AZR 415/05, Rn. 19, juris), muss vorliegend zu Lasten des Klägers ausgehen.
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Zugunsten des Klägers sprach letztlich nur dessen Lebensalter von 49 Jahren. Indessen hat der Kläger unstreitig gut einen Monat nach Ausspruch der fristlosen Kündigung bereits wieder neue Arbeit gefunden. Dies spricht gegen eine erschwerte Vermittelbarkeit des Klägers auf dem Arbeitsmarkt allein aufgrund seines fortgeschrittenen Alters. Bei Ausspruch der fristlosen Kündigung war der Kläger erst gut ein Jahr bei der Beklagten beschäftigt, sodass er dort überhaupt erst seit siebeneinhalb Monaten Bestandsschutz genoss. In Anbetracht dessen überwog das Beendigungsinteresse der Beklagten gegenüber dem Bestandsinteresse des Klägers. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Kläger durch die Arbeitsverweigerung letztlich versuchte, die Beklagte zur Vertragsänderung zu nötigen, ohne dass überhaupt zu diesem Zeitpunkt feststand, ob die tatsächliche durchschnittliche Stundenlohnvergütung für Oktober 2012 € 7,86 brutto betragen hätte.
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3. Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Ein gesetzlich vorgesehener Grund zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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